Unter den Brücken

Regie: Helmut Käutner, Deutschland, 1944

Deutschland, 1944
Plakatmotiv Unter den Brücken, © , stills by Lars Looschen


Stab und Besetzung

Produktion
Regisseur Helmut Käutner
Drehbuch Helmut Käutner
Helmut Käutner
Nach einer Vorlage von Leo de Laforgue [Manuskrip "Unter .. von Paris"]
Kamera Igor Oberberg
Musik Bernhard Eichhorn
Stand Photos Lars Looschen
Darsteller Erich Dunskus
Ursula Grabley [Kellnerin Vera]
Walter Gross [Mann auf der Brücke]
Margarete Haagen [Wirtschafterin]
Hellmut Helsig
Hildegard Knef [Mädchen in Havelberg]
Gustav Knuth [Willi]
Hildegard König
Klaus Pohl
Carl Raddatz [Hendrik]
Hannelore Schroth [Anna]
Hannelore Schroth

Technische Angaben
Kategorie: Langspiel Film
Technische Info: Format: 35 mm, 1:1,37 - Ratio: 1:1,37 - Schwarz-Weiss Film,Länge: 95 Minuten
Tonsystem: mono
Premiere: 12. November 1945 in Stockholm
Szenenphoto aus Unter den Brücken, © , stills by Lars Looschen

Inhaltsangabe
Hendrik (Carl Raddatz) und Willy (Gustav Knuth) haben gemeinsam eine große Liebe. Sie heißt "Liese-Lotte" und ist ihr Schleppkahn. Wenn sie auf seinen Planken unter den Brücken hindurch gleiten, möchten sie mit niemandem tauschen.

Hendrik kennt in Havelberg zwar ein Mädchen (Hildegard Knef), das ihn gern heiraten würde, aber soviel bedeutet das junge Ding ihm nicht. Willy wiederum findet die Serviererin Vera (Ursula Grabley) recht proper, eine Frau fürs Leben ist sie jedoch auch nicht.

An einem späten Sommerabend, als die beiden Schiffer mit der "Liese-Lotte" in Potsdam festgemacht haben, sehen sie auf einer Brücke ein Mädchen, das sich scheinbar in den Fluss stürzen will. Hendrik und Willy eilen zu Hilfe, können jedoch nur einen Zehnmarkschein aus dem Wasser fischen: Die vermeintliche Lebensmüde ist nämlich gar nicht gesprungen.

Als ehrliche Finder fahren die beiden ihr nach. Anna (Hannelore Schroth) - so heißt das Mädchen - erweist sich als sehr hübsch. Zunächst besteht sie darauf, in Ruhe gelassen zu werden, aber dann willigt sie doch zögernd ein, auf dem Kahn zu übernachten. Sie lebt nämlich in Berlin und muss einsehen, dass sie zu dieser späten Stunde in Potsdam kaum noch eine Unterkunft finden dürfte.
Am nächsten Tag fährt Anna mit Hendrik und Willy auf der "Liese-Lotte" nach Berlin. Die beiden haben sich Hals über Kopf in sie verliebt und würden sie gern an Bord behalten, aber eine ungeschickte Bemerkung des biederen Willy macht die gemeinsame Hoffnung zunächst zunichte.

Anna verlässt das Schiff. Hendrik hat es indessen verstanden, sich ihre Adresse zu beschaffen. Er sucht Anna auf, es dauert nicht lange, da ist auch Willy bei ihr. Bei dieser Gelegenheit erfahren die beiden von Annas großer Enttäuschung. Aus den Freunden sind nunmehr Rivalen geworden, aber trotzdem geht es sehr fair zwischen ihnen zu. Willy glaubt, eine Lösung zu wissen: Wer Anna gewinnt, muss runter vom Kahn, damit dem anderen wenigstens die "Liese-Lotte" bleibt. Er ist überzeugt, bei Anna die größten Chancen zu haben; darum lässt er Hendrik allein nach Rotterdam fahren und versucht sich an Land als Kranführer, um bei Anna sein zu können.

Bald muss er jedoch erkennen, dass er sich geirrt hat. In Wirklichkeit liebt Anna seinen Freund, und als Hendrik schließlich wiederkehrt, zeigt Willy sich als guter Verlierer. Er denkt nicht einmal daran, auf das Abkommen zu pochen: Künftig wird man zu dritt auf dem Schleppkahn fahren, der nunmehr "Anna" heißt...... (ARD Presse)

Kritiken : "Die Abwesenheit jeglicher Politik war hier zweifellos ein Politikum." Schauplätze der Handlung sind die Glienicker Brücke und das Havelgebiet um Ketzin und Havelwerder. Die Hauptrollen sind glänzend besetzt mit Hannelore Schroth, Carl Raddatz und Gustav Knuth, in weiteren Rollen spielen Hildegard Knef und Margarete Haagen.
In Deutschland kam der 1944/45 gedrehte Film, der seine Uraufführung bei den Filmfestspielen 1946 in Locarno erlebte, erst 1950 in die Kinos.

"UNTER DEN BRÃœCKEN entstand von Mai bis Oktober 1944 in und um Berlin, als die Stadt immer wieder Ziel von Bombenangriffen war und der Krieg in seine Endphase trat. Nichts davon ist im Film zu sehen – in einem ganz positiven Sinne. Regisseur Helmut Käutner (1908-1980) – Grafiker, Schauspieler, Kabarettist und Autor - u.a. DIE GROßE FREIHEIT NR. 7, DIE LETZE BRÃœCKE, DES TEUFELS GENERAL - siedelt seine fast märchenhafte, einfache Geschichte in einer nicht näher definierten, gleichsam utopischen Zeit an und erzählt sie in faszinierend schönen Bildern. Käutner distanzierte sich in einer Art „inneren Emigaration“ von den Zwängen des Reichspropagandaministeriums und inszenierte bewußt unpolitische, im Privaten angesiedelte Filme ganz ohne unterschwellige NS-Propaganda, Filme, die aber auch immer mehr waren, als nur ablenkende Unterhaltung und die ihm auch international Rénomee einbrachten. Der Film erlebte erst 1950 seine Uraufführung in Deutschland. „UNTER DEN BRÃœCKEN schwelgt in einem fast zarten Schwarzweiß voller Lichtreflexe und Stimmungsgemälden, und die Schauspieler strahlen eine große Leichtigkeit und Gelassenheit aus, die an französische Vorbilder des ‚poetischen Realismus‘ der dreißiger Jahre erinnert.(...) UNTER DEN BRÃœCKEN will als Gegenentwurf zum Zwang der „Volksgemeinschaft“ des Dritten Reiches verstanden werden, als private und freie Alternative zu Unterordnung, Gehorsam und Größenwahn. Ein Film als Wunschtraum in fürchterlichen Zeiten, ein Film, der sich nach anderen Zeiten sehnt und gleichzeitig eine im Untergang begriffene Welt von Vorgestern, frei von Krieg und Zerstörung, in seinen Bildern zu retten sucht (...) Trauerarbeit und Gegenentwurf in einem: Nur so ist die fast elegisch-lyrische Stimmung des Films zu verstehen.“ (Jan Schütte) (zit. GEMS, Siegen)

"...Helmut Käutners wohl bester Film: "Unter den Brücken" entstand noch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs inmitten des Chaos und stellt einen kompletten Gegenentwurf zur Realität des Dritten Reichs dar. Die Geschichte um die Liebe zweier Binnenschiffer zu einem Mädchen erzählt von lieblicher Idylle statt mörderischem Krieg, vom Rückzug in die Freiheit des Privaten anstelle einer Einordnung in die "Volksgemeinschaft" und von der Poesie des Alltäglichen im Gegensatz zur pathetischen offiziellen Kunst. "Unter den Brücken" wurde 1945 zwar noch von der (Nazi-)Zensur zugelassen, kam jedoch nicht mehr vor Kriegsende in die Kinos und wies mit seiner melancholischen Liebes- und Freundschaftsgeschichte in eine bessere Zeit. Nachfolger fand der Film im deutschen Nachkriegskino allerdings keine, und auch Käutner konnte nie mehr an die Qualität seines Meisterwerkes anknüpfen. (Lars Penning, taz Berlin lokal Nr. 7645 vom 21.4.2005)

"...Diese heiter-melancholische Dreiecksgeschichte, die aufgrund ihrer Eindringlichkeit zu den besten Filmen Helmut Käutners gezählt werden muß, gewinnt zudem durch ihr Entstehungsjahr an Bedeutung: Gedreht wurde diese Binnenschiffer-Romanze Ende 1944, als sich der Untergang des „Tausendjährigen Reiches“ bereits abzeichnete. Weshalb einige Kritiker von einem fragwürdigen Rückzug aus der Kriegsrealität sprachen. Käutner selbst nannte seinen Film Jahre später „eine friedliche Dokumentation unserer eigenen Wünsche“.

Obwohl „Unter den Brücken“ noch im März 1945 die Zensur passierte, fand die international stark beachtete Uraufführung 1946 beim Festival von Locarno in der Schweiz statt und erst 1950 konnte „Unter den Brücken“ seine deutsche Erstaufführung erleben. Der Film lebt vor allem durch das großartige Schauspieler-Trio Hannelore Schroth, Karl Raddatz und Gustav Knuth, die menschliche Empfindungen in einer Zeit des totalen Zusammenbruchs, politisch, ökonomisch und ideologisch, mit einer unter die Haut gehenden Intensität verkörpern." (Pitt Herrmann, Herner Feulleton 30. April 2005)

"Helmut Käutners Unter den Brücken ist künstlerisch, stilistisch und geistig betrachtet die letzte Sensation des deutschen Films und eine der grössten Filmsensationen der letzten Jahre in Europa überhaupt. Was der deutsche Film während dreizehn Jahren Nationalsozialismus niemals voll erreichte, nämlich realistisch und überzeugend zu wirken, ist ihm knapp vor Torschluss wie zufällig noch gelungen. Dieser Mann scheint ganz für sich allein die filmischen Erkenntnisse mit dem Löffel gegessen zu haben: er wagte es, mit drei Schauspielern, einem Milieu, fast keiner Handlung und einem spärlichen Dialog an einen abendfüllenden Spielfilm zu gehen und füllte den Abend mit einer herrlichen Bilderzählung, die uns endlich deutsches Leben ohne die geringste Verzerrung und ohne eitlen Firnis nahebringt..." (Die Tat, Zürich 1946, zitiert in Peter Cornelsen: Helmut Käutner, 1980)
Anmerkungen : "ähnlich wie in der ein Jahr zuvor entstandenen "Romanze in Moll", wenn auch mit freundlicheren Vorzeichen, setzte sich Käutner mit diesem Film eindeutig ab von der politischen Szenerie jener Jahre. "Unter den Brücken" war zunächst in Deutschland nicht zu sehen (die Uraufführung fand in Stockholm statt). Die lyrische Atmosphäre des Films und seine unpathetische Menschlichkeit beschwören ein Glück, das in jenen Tagen unerreichbar schien." (ARD Presse)

"Unter den Brücken", der neunte Spielfilm des deutschen Regisseurs Helmut Käutner - er starb 1980 im Alter von 72 Jahren -, gilt als eines seiner Meisterwerke. Mitten während der schlimmsten Bombenangriffe drehte Käutner seine Idylle voller Poesie. Nichts von der grauenvollen Wirklichkeit ist zu erkennen, obwohl geordnete Dreharbeiten im Mai 1944 kaum noch möglich waren. Der Film entstand auf der Spree, auf dem Landwehrkanal, auf der märkischen Havel. Für Helmut Käutner war "dieser Film eine friedliche Demonstration unserer eigenen Wünsche. Wir lebten verträumt neben der Zeit and lenkten uns durch die Arbeit von all dem Schrecklichen ab".

Im März 1945 gibt Goebbels' Zensur den Film frei, doch er kommt nicht mehr in die Kinos. Die Zerstörung Berlins, der Film-Stadt Babelsberg und die Kapitulation am 08. Mai verhindern die deutsche Uraufführung. Über Umwegen gerät aber eine Kopie des Films 1946 nach Schweden und wird im gleichen Jahr in Locarno bei den Filmfestspielen vorgestellt. Die Kritik zeigte sich begeistert; so heißt es unter anderem in der Züricher Zeitung "Die Tat": "Helmut Käutners "Unter den Brücken" ist künstlerisch, stilistisch und geistig betrachtet die letzte Sensation des deutschen Films und eine der größten Filmsensationen der letzten Jahre in Europa überhaupt. Dieser Mann scheint ganz für sich allein die filmischen Erkenntnisse mit dem Löffel gegessen zu haben: Er wagte es, mit drei Schauspielern, einem Milieu, fast keiner Handlung und einem spärlichen Dialog an einen abendfüllenden Spielfilm zu gehen und füllte den Abend mit einer herrlichen Bildererzählung, die uns endlich deutsches Leben ohne die geringste Verzerrung und ohne eitlen Firnis nahe bringt."

Erst 1950, am 18. Mai, bekommt auch das deutsche Publikum diese "Filmsensation" zu sehen. Curt Riess schreibt in seiner Geschichte des deutschen Films "Das gibt's nur einmal" zu "Unter den Brücken": "Mit welch unendlicher Leichtigkeit, mit wie viel Poesie und welcher Zartheit ist das alles inszeniert! Es ist alles so selbstverständlich. Die Geräusche allein bilden schon eine kleine Symphonie. Die Photographie ist Poesie. Die drei Hauptdarsteller agieren nicht. Sie sind einfach da. Sie weinen ein bisschen, sie lachen ein bisschen, sie schwimmen, sie kochen, sie schrubben, sie rauchen. Man riecht das Wasser. Man riecht den Schilf. Der Film nennt sich "eine deutsche Romanze". Er ist es wirklich - im besten Sinne des Wortes." (film im Bayerischen Fernsehen)

" UNTER DEN BRÜCKEN ist eine sensibel umgesetzte Liebesgeschichte, die – ähnlich wie viele italienische Werke jener Zeit – einen starken Hang zum Neorealismus besitzt. Der Film wurde in den Monaten Mai bis Oktober 1944 auf der Havel in der Nähe von Berlin gedreht, und es kostete den Regisseur alle Mühe, mit der Kamera nach den verheerenden Zerstörungen überhaupt noch intakte Brücken und unzerstörtes Gelände zu finden. Immer wieder musste das Drehteam die Aufnahmen unterbrechen, während über seine Köpfe hinweg die alliierten Bomberströme flogen und dann wieder abschwenkten. Schauspieler Carl Raddatz erinnerte sich an die seltsame Atmosphäre, die während der Aufnahme herrschte: »Wir haben damals alle mit großer Liebe an den BRÜCKEN gearbeitet. Unsere Motive, Glienicker Brücke, die ganze Havel, Ketzin, Havelwerder, es war eine idyllische, fast romantische Drehzeit ...« (Kommunales Kino in Freiburg)

General Information

Unter den Brücken is a motion picture produced in the year 1944 as a Deutschland production. The Film was directed by Helmut Käutner, with Erich Dunskus, Ursula Grabley, Walter Gross, Margarete Haagen, Hellmut Helsig, in the leading parts.

Preise und Auszeichnungen
1946 - Filmfestspiele Locarno, 4. Preis

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