2001: A Space Odyssey

2001: Odysse im Weltraum

Regie: Stanley Kubrick, Grossbritannien, 1968

Grossbritannien, 1968
Plakatmotiv 2001: A Space Odyssey, © Production Company


Stab und Besetzung

Regisseur Stanley Kubrick
Drehbuch Stanley Kubrick
Kamera John Alcott
John Alcott
Musik Richard Strauss
Richard Strauss
Optische Effekte Douglas Trumbull
Darsteller Keir Dullea
Gary Lockwood
Gary Lockwood [Dr. Heywood Floyd]
Gary Lockwood
Leonard Rossiter [Smyslov]
Leonard Rossiter
Robert Beatty
Penny Brahms
Penny Brahms
Ann Gillis [Poole's Mother]
Ann Gillis
Ann Gillis
Ann Gillis
Douglas Rain [HAL 9000]

Technische Angaben
Kategorie: Langspiel Film
Technische Info: Format: 35 mm, 1:2,35 - Ratio: 1:2,35 - Farbfilm,Länge: 149 Minuten
Tonsystem: Stereo
FSK ab 12 Jahren,
Szenenphoto aus 2001: A Space Odyssey, © Production Company

Inhaltsangabe
Das Raumschiff Discovery fliegt mit zwei Astronauten und drei in einen Kälteschlaf versetzten Wissenschaftlern an Bord zum Jupiter. Gesteuert wird die Discovery von dem als unfehlbar geltenden Computer HAL 9000. Ziel des Unternehmens ist es, einer ausserirdischen Intelligenz nachzuspüren, die vor Millionen von Jahren einen Monolithen auf dem Mond eingegraben hat, dessen Strahlung sich gegen den Jupiter richtet.

Auf dem Mond wird ein rätselhafter Monolith entdeckt, der Signale in Richtung Jupiter ausstrahlt. Ein Team aus Wissenschaftlern macht sich auf die Reise zu dem Planeten, um das Geheimnis des Fundes zu entschlüsseln. Doch auf dem Weg zum Jupiter gerät der Computer des Raumschiffs ausser Kontrolle und dezimiert nach und nach die Besatzung. Stanley Kubrick schuf seinen Sciencefiction-Kultfilm noch vor der ersten bemannten Mondlandung 1969, vermittelt aber eine filmische Vision des Weltraums, die noch heute fasziniert. Eine Zeit weit vor der unsrigen: Menschenaffen bevölkern den kargen Planeten Erde. Eines Morgens finden sie einen monumentalen schwarzen Monolith, der über Nacht vom Himmel gefallen scheint. Herkunft: unbekannt. Millionen Jahre später, zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Auf dem Mond entdecken Astronauten einen geheimnisvollen schwarzen Monolithen. Die Wissenschaft steht vor einem Rätsel, denn niemand kann sich Herkunft oder Funktion des gigantischen Steinblocks erklären. Auffällig ist nur, dass aus dem Inneren des Monolithen Signale an den Jupiter gesendet werden. Ein internationales Forschungsteam bricht zu einer Erkundungstour in Richtung Jupiter auf, um das Geheimnis zu entschlüsseln. Doch während des Fluges beginnt HAL, der neu entwickelte, hochintelligente Bordcomputer, sich zu verselbstständigen. Nach und nach entledigt er sich der Besatzung des Raumschiffs. Es entbrennt ein tödlicher Kampf zwischen Mensch und Maschine ...

Kritiken : "Das ist Kubrick at his best: wo selbst seine schlechtesten Filme die meisten anderen Regisseure deklassieren, verblasst neben diesem fehlerlosen und grandiosen Meisterwerk (fast) ein jedes Werk eines jeden anderen Regisseurs, und jedes noch so grosse Wort des Lobes ist zu klein. Jeder Science-Fiction-Fan müsste dem seligen Stanley einen Altar dafür errichten, dass er das Genre erst erwachsen und kinoreif gemacht hat und es von Flash Gordon-Eskapaden zu manchen Alien- und Star Trek-Höhen geführt hat.

Durch herrliche, minutiös kalkulierte und komponierte Bilder und Einstellungen, von denen die Wandlung des Werkzeuges "Keule" zum Werkzeug "Raumstation" nur ein berühmtes Beispiel ist, und durch grossartige und perfekt ausgewählte Kubrick-Musik vom Planetarium-"Also sprach Zarathustra"-Richard Strauss über den leicht angeschrägten György Ligeti und den wunderbaren Aram "Wie schreibt man das" Khatchaturian bis zu Johann Strauss' "An der schönen blauen Donau" wird 2001: A Space Odyssey von der ersten bis zur letzten Sekunde zu einem vollkommenen Genuss. Eine perfekte, dramaturgisch exzellent und aufreizend ruhig inszenierte Story spannt den Bogen über die ganze Geschichte der Menschheit, von den ersten äffisch brabbelnden Lauten der Primaten über die letzten, äffisch gurgelnden Laute des feinsinnigen Schachspielers und Lippenlesers HAL 9000 bis zu den ersten lallenden Lauten der nächsten menschlichen Evolutionsstufe. Eine philosophische, psychologische und psychedelische Reise ins Innerste der Seele und zugleich eine tricktechnisch erstaunlich gut, glaubwürdig (im Weltall hört Dich keiner schreien!) und liebevoll (der Detailreichtum der Modelle!) dargestellte Reise zur final frontier des Kosmos, von den hervorragenden Darstellern eindrücklich nahegebracht.

So wird die doppelte Odyssee der Astronauten "Guten Abend, Dave" Bowman und "Schachmatt, Frank" Poole zu einem mahnenden Epos, zu einer Erleuchtung in der ewigen Schwärze des Weltalls und zu einem der ganz grossen Filme aller Zeiten." (Moviebazar.de)

" Zu einer Zeit, die in etwa die Geburtsstunde der Raumfahrt markiert, schafft Stanley Kubrick eine Vision über eine Menschheit, die jenseits von Krieg, Revolution und staatlicher Autorität den Weltraum erobert hat. Ein Kritiker schreibt über diesen Film: 1968 gab es zwei Arten, 2001 zu sehen: bekifft reingehen oder wie bekifft rauskommen. Tatsächlich nimmt dieser Film den Zuschauer mit auf eine Odyssee, eine Sinnsuche durch Raum und Zeit. Eine wirklich greifbare Ausdeutung ist bei diesem Film schlicht unmöglich, da man keine greifbaren Ergebnisse ausmachen kann. Die Reise selbst ist das Ziel.

Die Erwartung eines Weltraummärchens zerschlägt Kubrick zu Beginn des Films mit Szenen der Menschwerdung, an der eine ausserirdische Intelligenz in Gestalt eines schwarzen Monolithen beteiligt ist. Solche Monolithen ziehen sich wie Wegweiser durch den Film. Mit der Gabe des Werkzeugs ist die erste Etappe vollzogen und von einem Augenblick zum nächsten wird die durch die Luft segelnde Keule zum Raumschiff und der Film wird nun den Erwartungen gerechter: Kubrick choreographiert eine Weltraumoper mit wenigen rezitativen Szenen, in denen gesprochen wird und langgestreckten Arien, in denen man schwerelos durch futuristische Sets schwebt. Diese zeitintensiven Einstellungen werden von kompositorischer Strenge beherrscht: Die Kamera von Geoffrey Unsworth und John Alcott zeigt eine Welt, die von Kreisen und rechten Winkeln gebildet wird; das Bildobjekt ist im Zentrum, die Peripherie meist symmetrisch. Auch die Musikuntermalung ist mit der rhythmischen Klarheit des Dreivierteltakts der Strauss'schen Walzer von geordneter Eleganz. Die Technikverliebtheit wird dem Menschen jedoch zum Verhängnis, als der Bordcomputer mit weicher Stimme und ohne Skrupel die Entbehrlichkeit der Besatzung erkennt und deren Tod beschliesst. Der Mensch wird vom Beherrscher zum Beherrschten. Die Abschaltung der Maschine besiegelt die Hilflosigkeit in einem nun unsteuerbaren Schiff.

Die letzte Episode führt den Zuschauer hinter die Unendlichkeit: Hier wird der Betrachter selbst zum Reisenden. Die strengen Formalismen von Bild und Ton lösen sich zu einem Strom aus Formen, Farben und Klängen auf, die in einem entfesselten Urzustand hereinbrechen. Der Schluss stellt die universelle Frage nach dem Ziel allen Seins. Zur Vertonung von "Also sprach Zarathustra", Nietzsches Reflexion über den Übermenschen, zeigt Kubrick, wie vom Homo erectus zum Homo sapiens über das Dienstbarmachen der Materie und dem Kontrollverlust über dieselbe, der Mensch erst im Tod die allumfassende Erkenntnis erhalten kann. Mit dem Bild von der Wiedergeburt als Sternenkind, das den Zuschauer betrachtet, hat die Odyssee ihr Ende erreicht." (amalthea.de)

«Das Nonplusultra des Science-Fiction-Genres – visuell bahnbrechend, intellektuell schwer verdaulich. Der Versuch einer Kurzinhaltsangabe: Aliens geben Hominiden den Anstoss, sich weiter zu entwickeln und als Menschen ins All aufzubrechen. Raumschiffe schweben im Takt der "Blauen Donau", ein Bordcomputer philosophiert über das Sein, und ein Astronaut überwindet beim Jupiter Raum und Zeit. Ein Trip ohne Beispiel: Es gibt Menschen, die behaupten, nicht einmal Regisseur Stanley Kubrick könne sagen, wovon der Film wirklich handelt ...
Unvergessen:
Die "Also sprach Zarathustra"-Fanfare ertönt, als der schwarze Monolith die ersten Menschen dazu inspiriert, Werkzeuge zu benutzen. » (Cinema, 2000)
Anmerkungen : "Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" dürfte zu den meist interpretierten und - darin dem Monolith des Films nicht unähnlich - letztendlich nicht definitiv "entschlüsselten" Kultfilme der Kinogeschichte gehören. Kubricks genialer Einfall, sein Raumschiff zu den schwerelosen Klängen des Donauwalzers von Johann Strauss durch den Weltraum schweben zu lassen, und seine Idee, im Amoklauf des Bordcomputers HAL (die im Alphabet jeweils folgenden Buchstaben ergeben IBM) menschliche ängste vor einer Vorherrschaft der Maschinen zu bündeln, sind nur einige der besonderen Kennzeichen, die ihn zum berühmtesten Sciencefiction-Film der Kinogeschichte werden liessen. "Ich habe versucht, ein visuelles Erlebnis zu schaffen, das verbales Schubladendenken vermeidet und emotional und philosophisch direkt auf das Unterbewusstsein zielt" (Stanley Kubrick). Ein Vorhaben, dass dem als so genial wie pedantisch berüchtigten Regisseur gelungen sein dürfte." (ZDF Presse)



Mit Nietzsche in Kubricks Kino

Stanley Kubricks Film «2001: A Space Odyssey» - üppiges Plädoyer für eine dionysische Kunst?

Von Alexandra Stäheli

Kubricks Weltraumepos hat bisher zu vielen Deutungen verführt. Eine weitere Re-Lektüre des Films auf dem Hintergrund von Nietzsches Philosophie gibt Kubricks Ästhetik eine neue Färbung.

«Soweit dieser Film ein metaphysischer Film sein will, ist er ärgerlich, soweit Fortschritt hier als Menetekel dargestellt wird, ist er unernst und unverantwortlich», schreibt ein genervter Rezensent in der «Süddeutschen Zeitung» über Stanley Kubricks Weltraumepos «2001: A Space Odyssey» bei dessen Erscheinen 1968. Gleichwohl gesteht der Kritiker dem Film, wenn man ihn nicht allzu ernst nehme, «traumhaft schöne, psychedelische Farborgien» zu. Als Kubricks visionäre Sternfahrt ein Jahr vor der Mondlandung das Licht der Projektoren erblickte, polarisierte sie sofort - wie jedes Werk Kubricks - Presse, Publikum und Produzenten. Hollywoods Studiobosse flüchteten an der Premiere in New York unter Absonderung von Verwünschungen aus dem Kinosaal, weil sie die damals astronomischen Produktionskosten von zehneinhalb Millionen Dollar für heillos in den Sand gesetzt hielten. Gnade fand der Film einzig wegen Kubricks extraterrestrischen Hangs zum Perfektionismus, der sich in unzählige aufwendige und bis dahin nie gesehene Special Effects ergoss (für die der Film auch einen Oscar erhielt); kritisiert hingegen wurde die Unverständlichkeit der gesamten Story, die - so etwa die «FAZ» - bei allen «faszinierenden technischen Zaubertricks von stumpfer Geistlosigkeit nicht loskommt».

Dass aber der Film sowohl von den Fans wie auch von den Gegnern meist oberflächlich und fast nachlässig lächelnd als langatmiges LSD-Märchen eines psychedelischen Provokateurs rezipiert wurde, verleitet uns heute zur Deutung, dass «2001» zu früh gekommen war und zu seiner Zeit ein leidvolles Dasein als eine Art «unzeitgemässe Betrachtung» fristen musste.

So wurde die kulturphilosophische Dichte der «Odyssee» - die mittlerweile längst nicht nur wegen des «Match-Cut» zu Beginn, des wohl berühmtesten Schnitts der Filmgeschichte, zur Basis jedes Filmseminars gehört - erst nach und nach in einzelnen Analysen Schicht für Schicht anatomisch freigelegt: Anklänge der von Kubrick gemeinsam mit dem Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke verfassten Geschichte zu Homers Odyssee wurden herausgeschält, zur biblischen Schöpfungsgeschichte sowie zu Darwins Version davon; die sehr anthropomorph wirkenden Technikvisionen von Production-Designer Ernest Archer wurden auf ihre geheimen sexuellen Implikationen hin untersucht, genauso wie die Inszenierung des Themas Sehen, Blick und Voyeurismus, eines jener Fetisch-Gebiete Kubricks, die in allen Filmen fast obsessiv wiederkehren.

Der Dreischritt zur Vollendung

Es lässt sich nun jedoch noch ein weiterer Intertext in «2001» entdecken, der wie ein Palimpsest durch den Film hindurchzuschimmern scheint, ein philosophischer Bezug, der Kubricks ästhetisches Konzept in frappanter Weise zu unterfüttern vermag - und dabei vielleicht bis zu einem gewissen Grad auch das vermeintlich «Esoterische», das scheinbar psychedelisch Dunkle der gesamten Filmsprache ganz ohne Drogeneinnahme aufzuhellen vermag: Die Dramaturgie von Kubricks Raumschiffoper lässt sich zuweilen bis ins kleinste Detail auf dem Hintergrund von Friedrich Nietzsches Manifest der Amoral «Also sprach Zarathustra» lesen - was insofern nicht weiter verwunderlich ist, als Richard Strauss' gleichnamige sinfonische Dichtung den Film auf der Tonspur in einer Schwarzblende feierlich, mit Pauken und Trompeten sozusagen, beginnen lässt.

Nietzsches «Buch für alle und keinen» aus dem Jahre 1885 verdichtet Gedanken aus dem vorangehenden Werk «Die fröhliche Wissenschaft» in dunklen, poetisch-prophetischen Tönen zu einer Weltanschauung, in der sich der Mensch von seiner gegenwärtigen Geist- und Morallastigkeit befreien soll - wobei auch der Glaube an jegliche Versprechung der Religion auf eine Belohnung der guten Taten im Jenseits über Bord zu werfen sei. Überhaupt solle der Mensch, so verkündet Nietzsches unheilige Erlöserfigur Zarathustra, dem asketischen Leben fürs spätere Paradies abschwören und Erfüllung einzig in den sinnlichen Erfahrungen des Diesseits suchen.

Eine solche Lebensweise aber, die traditionell religiöse Gegensätze wie Gut und Böse, Diesseits und Jenseits, Vernunft und Gefühl hinter sich zu lassen vermag, wäre nach Zarathustras Lehre die letzte von drei Stufen, die der Mensch auf seinem Weg zur Vollendung im Übermenschen zu durchlaufen hätte. Bereits in seiner ersten Gleichnisrede entfaltet Zarathustra seine Lehre von den drei Stadien: «Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes; wie der Geist zum Kameele wird, und zum Löwen das Kameel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.» Im schwerelos-leichten, von Schuld befreiten, der reinen Gegenwart zugewandten Wesen des Kindes findet der Übermensch Nietzsches sein hoffnungsvolles Bild.

Kubricks Film nun führt uns - so die These - genau diese drei Verwandlungen des Geistes vor Augen, wie gleich noch etwas ausführlicher gezeigt werden soll. Zuvor jedoch sei noch eine kurze Bemerkung zur Zahl drei angefügt, die den Film bis zum Exzess durchzieht. So erzählt «2001» auf der Ebene des Inhalts die Geschichte der Menschheit von den Primaten des Neolithikums bis zum (von Kubrick im Drehbuch so bezeichneten) «Sternenkind» der Zukunft in drei seltsamen Kapiteln. Aber nicht nur strukturell, sondern auch motivisch ist Kubricks Film überbesetzt an Triaden, Trinitäten und Triolen; sie tauchen manchmal als reiner, vollständiger Dreischritt auf, oft jedoch zeigen sie sich auch in einer unreinen, «supplementären», überschüssigen Form und müssen dann als 3+1 gelesen werden. Allerdings legt schon Nietzsches aus vier (also 3+1) Teilen bestehender Text diese supplementäre Lektüre nahe, wenn er auch von drei Verwandlungen spricht, was letztlich eigentlich vier Stadien (und nicht drei) impliziert: Wenn man sich dreimal verwandelt, hat man am Ende vier Stadien durchlaufen - auch wenn Nietzsche sich in seinem Buch nur für die drei des Kamels, des Löwen und des Kindes interessiert.

In Kubricks Film zeigt sich die 3+1-Struktur etwa bereits in einer eigenartigen Unterteilung des ersten Kapitels in die zwei Szenerien Neolithikum und Zukunft, wodurch der gesamte Film letztlich eben eigentlich wieder vier Teile aufweist. Auf der Ebene der Ästhetik lässt sich beobachten, dass in den ersten beiden Kapiteln des Films die drei Primärfarben Gelb, Rot, Blau ganz klar den Farbcode der Bilder dominieren, während im letzten Kapitel die Mischfarbe Grün vorherrscht. In Bezug auf den Inhalt scheint es, dass in den ersten beiden Kapiteln die sinnliche Erfahrung im - wenn auch schwerelosen - dreidimensionalen Raum ein untergründiges Thema des Films darstellt, während der letzte Teil eine spirituelle Reise in die vierte Dimension versucht. Und selbst auf der Ebene der Akustik scheint sich das 3+1-Schema nochmals mit dem Anfang von Richard Strauss' Werk zu wiederholen, wenn dieses mit den drei ganzen Dur-Tönen C - G - C beginnt, um sich dann im emphatischen Halbton-Schritt nach Moll zu wenden. Im Folgenden nun sollen die Bezüge zu Nietzsches «Zarathustra» und seiner Drei-Stadien-Lehre entlang einer Darstellung des Inhalts von «2001» etwas deutlicher aufgezeigt werden.

1. «The Dawn of Man»

Der erste Teil von Kubricks Film, der den Titel «The Dawn of Man» trägt, beginnt, sinnigerweise, mit der Einstellung einer Morgendämmerung. Wir sehen einige Affen in einer wüstenartigen Landschaft, in der sich eines Tages plötzlich, wie vom Himmel gefallen, ein schwarzer Monolith befindet. Von dem Objekt, das im Film noch zweimal an entscheidender Stelle auftauchen wird, strahlt eine seltsame, flirrende Aura ab. Einer der Affen - der in Kubricks Drehbuch als «Moonwatcher» bezeichnet wird - berührt den Meteorit-artigen Quader. In der darauffolgenden Einstellung scheint das Tier dann plötzlich eine Eingebung zu haben: Der Affe entdeckt, dass ein Knochen als Werkzeug gebraucht werden kann - zum Beispiel, um seine Beute zu erlegen. Dann, in einem zweiten Schritt - der die scharfe Zivilisationskritik von Kubricks Atombombenfilm «Dr. Strangelove» (1964) wieder aufnimmt -, gebraucht der Affe das Instrument auch, um es gegen seine Artgenossen zu verwenden: Moonwatcher tötet mit dem Knochen ein Tier aus seinem Clan und wirft dann das Mordinstrument triumphierend in die Luft. Schnitt. An der Stelle des Knochens erscheint, passgenau und in gleicher Form, ein im Weltall schwebendes Raumschiff auf der Leinwand.

Das Montageprinzip des «Match-Cut», bei dem zwei sich ähnliche Figuren aneinander gelegt werden, explodiert hier in legendärer Weise zu seiner Milchstrasse an Bedeutungen: Ein einziger Schnitt sagt alles über die millionenschwere Entwicklung des Menschengeschlechts aus, indem das Raumschiff der Menschen im 21. Jahrhundert mit dem Überlebens- und Mordinstrument der Primaten gleichgesetzt wird. Dazu unterlegt Kubrick die Sequenz mit den Tönen von Johann Strauss' Walzer «An der schönen blauen Donau», der nicht nur einen farblichen Bezug zum im Weltall schwebenden blauen Planeten macht, sondern vor allem auch das Motiv des Rondos bzw. die Kreisstruktur einführt, durch die die Komposition der Bilder fortan deutlich geprägt ist. Dabei können diese immerzu sich drehenden, kreisförmig schwebenden Raumschiffe mit Zarathustras Gedanken von der ewigen Wiederkehr des Gleichen assoziiert werden.

Wir sehen nun den Astronauten Haywood R. Floyd, der in einer geheimen Mission zum Mond fliegen soll, um ein Mysterium aufzuklären. In einem Mondkrater wurde ein seltsamer schwarzer Monolith gefunden, der eine flirrende Strahlung um sich verbreitet. Floyd findet den Quader und berührt ihn. Schnitt.

2. «Jupiter Mission - 18 Months Later»

Man hat herausgefunden, dass die Strahlung des rätselhaften Monolithen auf den Planeten Jupiter zeigt, weshalb die beiden Astronauten Frank Poole und David Bowman auf eine Reise dorthin geschickt werden. Unterstützt werden Poole und Bowman von HAL 9000, dem Bordcomputer des Raumschiffs. Dieser gilt als kompliziertes Elektronengehirn, das fast alle Funktionen des menschlichen Gehirns simulieren kann - dabei jedoch, so wird mehrfach betont, nie einen Fehler macht. Im Laufe der Mission unterläuft HAL 9000 jedoch überraschenderweise ein bedeutender Irrtum, weshalb Poole und Bowman sich darüber beraten, ob sie HAL ausschalten sollen. Der Computer beobachtet mit seinem omnipräsenten, rot glühenden Lampen-Auge die geheime Besprechung der beiden Astronauten, woraufhin er eine Art Überlebensinstinkt entwickelt: Er lockt Poole wegen Reparaturarbeiten in den Weltraum und tötet ihn dort. Als Konsequenz davon schaltet Bowman HAL ab - und überlässt die Mission fortan, völlig losgelöst ins Ungewisse driftend, seiner eigenen Verantwortung.

An diesem zweiten Teil von Kubricks Saga treten die Bezüge zum «Zarathustra» nun ziemlich eindeutig zutage. Da ist zunächst einmal ein technoider, von Menschen geschaffener, scheinbar allmächtiger Gott/GOD namens HAL, der sich letztlich als menschlich, ja allzu menschlich und daher auch als fehlbar erweist - und zum Wohle und Fortkommen der Menschheit getötet werden muss. (Ersetzt man die Buchstaben HAL durch die im Alphabet nächstfolgenden, erhält man das Kürzel IBM - eine andere Chiffre für Allwissenheit.) In diesem Prozess werden nun auch die Figuren Poole und Bowman nietzscheanisch eingefärbt. Denn wie der Seiltänzer in der Vorrede des «Zarathustra» von einem gottähnlichen Wesen umgebracht wird, so wird auch der im Weltall balancierende Astronaut Frank Poole - dessen Name ein Anagramm zu «walk on rope» ist - von HAL getötet. Und wie Zarathustra die Leiche des Seiltänzers birgt und sich in der Folge um sein Fortkommen bzw. seinen eigenen «Untergang» bemüht, so nimmt sich auch Bowman des toten Gefährten an und stürzt sich in den erhebenden Abgrund des schwarzen Alls.

Wenn man nun Bowmans «Mord» an dem Computer auf dem Hintergrund von Zarathustras Drei-Stadien-Lehre liest, dann drängt sich ein Vergleich zum Stadium des Löwen auf, in dem - so Nietzsches damals skandalöse Vision - Gott als menschliches Konstrukt zur geistigen Entwicklung der Menschheit getötet werden muss. Während das erste Kapitel des Films parallel mit dem idealistischen Stadium des Kamels gelesen werden kann, in dem, so Nietzsche, die Unterwerfung der Menschen unter ein theologisches Dogma vorherrsche - ein Herdeninstinkt, der von Kubrick mit dem rudelhaften Verhalten der Affen auch etwas ironisch überzeichnet wird; während Kubricks Anfang in dieser Lektüre also die Phase des «Du sollst» inszeniert, zeigt das zweite Kapitel die nächsthöhere Stufe des Löwen, des «Ich will» - ein Sieg des Willens gegen die Vernunft, bei dem sich die Moral letztlich gegen sich selbst wendet. Bei Kubrick geschieht dies, indem Bowman den Glauben an die Unfehlbarkeit der allmächtigen Technologie aufgibt, Gott HAL herunterfährt und die gesamte Reise fortan seinem eigenen Willen zur Vollendung der Mission Jupiter unterstellt. Das dritte und letzte Kapitel von «2001», das ziemlich orbital «Jupiter - and beyond the Infinite» heisst, müsste demzufolge das Stadium des Kindes bzw. des Übermenschen wiedergeben, die Seinsweise des «Ich bin» als ein Zustand höchster Lebensbejahung.

3. «beyond the Infinite»

Das gesamte Kapitel beginnt mit einer Reihe von lose aneinander montierten Einstellungen, die verschiedene planetare Konstellationen zeigen. Unter spektakulären Licht- und Schattenspielen geht die Sonne über der Kante der Erde auf - und im Moment des höchsten Mittags, so scheint es, beginnt sie wieder zu sinken. Wir sehen Dave Bowman, der sich in seiner Kapsel auf einer Reise durch Raum und Zeit bewegt. Die Kamera übernimmt seinen subjektiven Blick und schickt uns Betrachtende auf einen tanzenden Farben-Trip, in dem uns die Bilder in bunte, flirrende Muster hineinzusaugen scheinen. Am Ende dieser langen Sequenz sehen wir Dave Bowman in einem altertümlich ausstaffierten, mit schweren Louis-XVI-Möbeln bestückten Zimmer sitzen, essen, stehen - und schliesslich um Jahre gealtert mit schlohweissem Haar im Bett liegen. Der schwarze Monolith thront plötzlich vor Dave, der die Hand ausstreckt und den Stein berührt. Bowmans Geste löst ein sprühendes Finale aus.

Zum dritten Mal erklingen nun die Töne von Strauss' «Zarathustra», diesmal zur Orchestrierung der Geburt des «Sternenkindes», das eine Seinsweise ausserhalb jeglicher linearer Logik, ausserhalb der Kontinuität von Zeit und der Dreidimensionalität des Raumes zu verkörpern scheint. Lange schon haben sich die Bilder Schnitt für Schnitt aus der linearen Semantik klassischer Montage gelöst, wie auch die Geschichte und die Mise en Scène die Ebene zeitlicher und räumlicher Kontinuität verlassen haben. Dabei wird uns diese Reise in einen Zustand jenseits des Vertrauten auf der Bild- und Tonebene schon dadurch angekündigt, dass im dritten Teil während immerhin gut 22 Minuten wiederum - wie in den ersten 26 Minuten zu Beginn - kein einziges Wort gesprochen wird: Der Aufbruch in die vierte Dimension, ins Übermorgen, zum Übermenschen, muss für den Kino-Zuschauer jenseits begriffssprachlicher Logik in einem audiovisuellen Gesamtkunstwerk geschehen, in einem reinen aisthetischen Akt, in dem nur noch mit den Sensoren des Leibes - ja fast könnte man sagen: nur mit Haut und Haar - rezipiert wird.

Mit diesem Plädoyer für eine direkte, somatische Wahrnehmung aber mündet der Film endgültig in den Kosmos von Nietzsches Philosophie ein. Denn die Geburt des «Sternenkindes» als Inkarnation des Übermenschen lässt auch eine Ästhetik wilder Unmittelbarkeit dämmern, wie Nietzsche sie in «Die Geburt der Tragödie» als Kunst des Dionysischen beschrieben hat. Und wie Zarathustra in seiner Todessehnsucht letztlich zu einer Heimkehr des Schiffs «in die stillste Bucht» aufruft, so hat uns auch Kubrick am Ende seiner filmischen Raumschiffreise an einen ruhigen, aber von Emotionen und Eindrücken orchestrieren Ort «beyond the infinite» gebracht, einen Ort jenseits von allem Jenseitigen. Dieser Ort ist für den Bildorgiasten Kubrick auch der Garten Eden eines neuen, reinen, von begrifflicher Verknüpfung befreiten kinematographischen Sehens - einer sternschnuppenhaften Vision unmittelbarer Erkenntnis, vielleicht. (NZZ 25. 2. 2006)

General Information

2001: A Space Odyssey is a motion picture produced in the year 1968 as a Grossbritannien production. The Film was directed by Stanley Kubrick, with Keir Dullea, Gary Lockwood, , , Leonard Rossiter, in the leading parts.

Preise und Auszeichnungen
1968: Oscar für Special Visual Effects; Vier Nominierungen, u.a. für Regie und Drehbuch

Referenzen zum Film in anderen Datenbanken:

    Unter anderem wurde der Film bei folgenden Filmfestivals aufgeführt:

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