"(…) VI. So spekulativ und sentimental sein Gehalt bleibt, so rühmenswert ist seine Form. Wie dieser Bildrhythmus pulsiert und lebt, wie Bild und Ton sich kontrapunktisch enteilen, finden und zusammenspielen, wie stumme Requisiten, stumme Szenen mehr als die Dialoge sagen, wie hier geschnitten, überblendet und montiert wird, wie diese Kamera zu zaubern weiß, symbolhaft ohne billigen Aha-Stil, wie sich die Handlung raffiniert aus vielen Rückblenden zu kunstvoller Einheit fügt – das ist (trotz mancherlei Entgleisungen) im ganzen eine Leistung, mit der Willi Forst einen Gipfelpunkt seines Könnens erklimmt. Dies und die ungewöhnlich ausdrucksstarke Intensität Hildegard Knefs, Gustav Fröhlichs gute Gediegenheit, die Prägnanz der Nebenrollen: alles zusammen ist – formal – ein Musterbeispiel künstlerischen Films.
VII. Die Form ist viel. Besonders hier und heute. Aber die Form ist nicht alles. Sie ist, mitunter, gefährlich: Wenn reine Artistik Arabesken ins Nichts malt. Wenn Nihilismus sich als Dokument maskiert. Wenn etwas wie geheime Untergangssüchtigkeit in solche Filme einzuströmen scheint. Dann setzen sie dem Verfall, den sie schildern, nichts mehr, nicht einmal Verzweiflung entgegen – fast wirken sie (wenn auch gewiß wider Willen) im Einverständnis mit dem leichten Glanz von schöner Fäulnis, den sie spiegeln. Wenn Film der Seismograph der Zeit ist und wenn wir diesen Film ernst nehmen, dann weht uns eine maßstabslose trübe Müdigkeit an, die immer zu den Vorzeichen der Verhängnisse gehörte.
VIII. Wenn wir ihn ernst nähmen … Jedoch: man hat diesen Film bislang wohl viel zu ernst genommen. Die Selbstkontrolle scheint es getan zu haben, Willi Forst tat es, als er so erbittert um diesmal belanglose Schnitte stritt, die Öffentlichkeit tut’s, indem sie allzu laut verdammt und rühmt (…) – und eben, so scheint mir, in Absatz VII, tat ich es auch. Er reizt dazu. Es schadet nichts, ein wenig den Konsequenzen nachzusinnen, die solche sonderbar gemischten Filme nahelegen (gemischt aus Kunst und Bluff, aus Zeitproblemen und Kinokonstruktion). Doch letztlich ist der ganze schöne, böse Kokottenfilm doch wohl nur doppelte Koketterie: mit der Kunst (des Films), die ihm denn auch zurücklächelt, und mit der großen Problematik (der Zeit), die sich ihm rasch entzieht." (…) Gunter Groll in: Süddeutsche Zeitung (München), 15.2.1951.
"(…) Hildegard Knef hat unter der Meisterhand des Regisseurs an Ausdruckskraft ungemein gewonnen. Sie ist vielleicht um eine Idee zu jung, zu herb und zu gerade für die Sünden des Vorlebens, aber ihr Gesicht fasziniert in einem großen Spiel der kleinen Nuancen und der vielsagenden Stummheit. (…) Es ist manches hart am Thema dieses Films, gerade so hart wie die Zeit, und es steht manches auf des Messers Schneide in dem gelegentlich mehr als eindeutigen Lebensweg dieser „Sünderin“. Vom Was möchte so mancherlei unverdaulich im Magen liegen bleiben, wenn das Wie nicht so unheimlich virtuos wäre. Die wahrhaft meisterliche, überlegene Form spült ungestüm über alle Klippen des Inhalts hinweg. Und so hat schon alles seine Richtigkeit: Das Verbot auf den ersten Blick wie die Freigabe auf den zweiten. Und sollte es immer noch schwer fallen, vor einem eigenwilligen Werk wahrer Kunst ein sittliches Auge einmal zuzudrücken, dann verbiete man als Ausgleich dafür drei der platten „Sittenfilme“ – dann stimmt’s wieder." (…) Peter Bevelius in: Filmwoche (Baden-Baden), Nr. 4, 27.1.1951.
General Information
Die Sünderin is a motion picture produced in the year 1951 as a Németország production. The Film was directed by Willi Forst, with Änne Bruck, Gustav Fröhlich, Wera Frydtberg, Benno Gellenbeck, Hildegard Knef, in the leading parts. We have currently no synopsis of this picture on file;Irodalom Filmmuseum Berlin - Retrospektive 2006: Traumfrauen. Stars im Film der fünfziger Jahre, Gabriele Jatho und Hans Helmut Prinzler (Hg.), Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2006