Eine weitere Enttäuschung: Brillierten die früheren Bonds vor den Titeln mit tollen Skiseqzenzen auf Gletscherlandschaften und Autojagden durch südfranzösische Küsten bei Monte Carlo, so begnügt man sich jetzt mit einer armseligen, völlig zusammenhangslosen Schlägerei auf einer schmuddeligen Toilette. Armer James !» (lhg 2006)
«Bond ist nun blond. Und blauäugig. Letzteres aber nur äußerlich. Der britische Schauspieler Daniel Craig, 38 Jahre jung, tritt im nunmehr 21. Film der seit bald 45 Jahren weltweit erfolgreichsten Kino-Reihe in die mal mehr, mal weniger großen Fußstapfen seiner fünf Vorgänger Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton und Pierce Brosnan. Ein verdammt schweres Erbe also. James Bond 007 ist Kinogeschichte und Zeithistorie. Und eigentlich gibt es für eingefleischte Bondianer nur zwei veritable Interpreten des britischen Doppel-Null-Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten: Sean Connery und Roger Moore. Alles andere, dazwischen und danach, sind Peanuts.
Um es gleich vorwegzunehmen, Daniel Craig, im Vorhinein stark kritisiert und kontrovers diskutiert, macht seine Sache überraschend gut. Gewiss, gewöhnungsbedürftig ist erst einmal jeder neue Bond-Akteur, doch hat Craig weder das Farblose von Timothy Dalton, noch das Glatte von Pierce Brosnan. Er kommt in Gestus und Habitus sogar am ehesten dem toughen Ur-Bond Sean Connery nahe, der einst mit "James Bond 007 jagt Dr. No" anno 1962 den Dienst unter seinem Chef M antrat. Craig, hier zu Lande auch als ehemaliger Lebensgefährte von Heike Makatsch bekannt, war bis dato etwa in Filmen wie "Road to Perdition" (2002), "Die Mutter" (2003), "Sylvia" (2005) oder "München" (2005) zu sehen.
Sein Bond ist streng, ist kühl, ist beherrscht, ist kontrolliert, ist nüchtern - und doch auch emotional. Und er ist, wie der ganze von Regisseur Martin Campbell ("Golden Eye", 1995) inszenierte, mit seinen 144 Minuten Laufzeit doch etwas zu lang geratene Film auch, von einer angenehmen Klarheit. Die Marschrichtung ist daher klar: Zurück zu den Wurzeln, zu jener Klarheit und Härte, die in den ersten Connery-Filmen herrschte, bevor die Reihe später immer mehr zu einer bloßen numerischen Aneinanderreihung von High-Tech-Action wurde und die Figur des Bond zur Marginalie. Ohnehin ist allein diese Verfilmung des allerersten, 1953 publizierten Bond-Romans des literarischen Vaters Ian Fleming ein Schritt zu den Anfängen, ein Bekenntnis zur Figur. Die harte Gangart bei alledem - der Film enthält durchaus einige brutalere Sequenzen - hat im Übrigen eine FSK-Freigabe ab 12 Jahren zur angebrachten, notwendigen Folge.
Die Story, falls man das so nennen kann, ist wie stets rasch erzählt: Der steinreiche Bankier "Le Chiffre" (Mads Mikkelsen) terrorisiert mit seinem Netzwerk die Welt. Leichen pflastern Le Chiffres Wege, er lebt nur für und durch und mit Geld. Um den diabolischen Schurken mit dem bluttränenden Auge aus dem Verkehr zu ziehen, setzt Geheimdienst-Chefin M (Judi Dench) Bond auf den Fall an. Der muss jedoch ein Spiel gegen "Le Chiffre" gewinnen, im Casino Royale in Montenegro. Dabei wird er von einer jungen Beamtin des britischen Schatzamtes, Vesper Lynd (Eva Green), nicht aus den Augen gelassen. Fatal nur, dass sie zugegebenermaßen verboten schön und verdammt intelligent ist - was Bond nicht wirklich entgeht und späterdings beinahe zum Verhängnis werden soll. Am Tisch mit dem grünen Filz sitzen sie sich dann gegenüber, Bond und "Le Chiffre", und spielen um Millionenbeträge, wie zwei scheinbar Ebenbürtige. Doch nur einer kann freilich gewinnen.
"Casino Royale" hat alle Ingredienzien eines klassischen James-Bond-Films: Technisches Tamtam, spielerische Mätzchen, schöne Frauen, und diverse über den Globus verstreute Drehorte, von den Bahamas und Venedig über den Comer See, von Prag und Karlsbad bis hin zur 007-Halle auf dem Gelände der schon legendären Pinewood-Studios in Südengland. Von allem etwas. Und dass gerade Sean Connery etwa in "Feuerball" (1965) bereits auf den Bahamas auf den Spuren der Spectre-Organisation war, und sowohl Connery ("Liebesgrüße aus Moskau", 1963) als auch Roger Moore ("Moonraker - Streng geheim", 1979) in Venedig das Böse der Welt bekämpften, und man nun diese Drehorte wieder mit auswählte, das mag vielleicht auch eine kleine Reminiszenz an diese beiden großen Bond-Darsteller sein. Übrigens hat der deutsche Schauspieler Jürgen Tarrach als deutscher Tourist mit Hemd, Hut und Shorts einen Mini-Auftritt im Hotel, in dem Bond auf den Bahamas absteigt. Alles in allem: Ein solider Bond-Film, gute Mittelklasse sozusagen. Daniel Craig ist also der neue James Bond. Mit einigen Abstrichen und nach besagter Eingewöhnungsphase lässt sich wohl sagen: Just do it again, Daniel.» (Thilo Wydra, www.br-online.de)