Der Geiger von Florenz



Produktion: Universum-Film AG (UFA), Berlin Deutschland, 1926

Regisseur: Paul Czinner
Produzent: Erich Pommer
Drehbuch: Paul Czinner
Kamera: Otto Kanturek, Adolf Schlasy, Árpád Virágh
Musik: Giuseppe Becce
Architekt: Erich Czerwonski, Erich Czerwonski
Executive Producer: Elisabeth Bergner
Darsteller: Elisabeth Bergner [Renée], Conrad Veidt [Renées Vater], Nora Gregor [Renées Stiefmutter], Walter Rilla [Maler], Grete Mosheim [Schwester des Malers], Ellen Plessow
Kategorie: Langspiel Film
Technische Info: Format: 35 mm, 1:1,33 - Ratio: 1:1,33 - Schwarz-Weiss Film,
Tonsystem: silent
Premiere: 10. März 1926 in Berlin, Gloria-Palast

Vorhandene Kopien: Kopien des Films sind erhalten
Verleih: Decla-Bioscop AG., Berlin


Italienischer Titel: Il violonista di Firenze
Dänischer Titel: Kærlighedslængsel

Inhaltsangabe
Die junge Renée liebt ihren Vater abgöttisch, mit ihrer Stiefmutter versteht sie sich jedoch überhaupt nicht. So wird sie in ein Schweizer Internat gesteckt. Als Renée wegen schlechten Betragens auch die Ferien dort verbringen soll, setzt sie sich als Junge verkleidet nach Italien ab.

Ein Maler entdeckt den "Knaben" als Modell für sein Gemälde "Geiger von Florenz", das ein grosser Erfolg wird. Als der Vater auf einer Abbildung des Gemäldes seine Tochter erkennt, fährt er nach Florenz, um Renée wieder zu sich zu holen. Der Maler will sich jedoch nicht mehr von seinem Modell trennen. Umso erfreuter ist er, dass Renée sich als Mädchen entpuppt. Er bittet den Vater um ihre Hand, die dieser ihm nur zu gern zuspricht. (www.filmportal.de)

Kritiken : «Der Geiger von Florenz

Ein Triumph der Bergner in einer Pickfordrolle. Ein psychoanalytisches Backfischexperiment? Die zarteste Seelendeutung, die der Film je vermittelte.
Man spricht im Angesichte dieses Films endlich wieder vom Dasein, spürt Holdheiten des Menschlichen, sieht wieder Frauenzauber, so töricht keusch und so rührend verführt ... Vergessen sind die Produktionsprobleme, Filmfragen. Man lächelt und erlebt den sinnfälligen Wandel eines törichten Mädchens, das aus dem Elternhause vom Vater, den sie innig liebt, in das Schweizer Pensionat kommt, dem sie entflieht, um als Strassenjunge in Italien herumzubummeln. Den vermeintlichen Buben, gerade wie er für einen alten Bettler an der Strasse Geige spielt, findet ein Maler, nimmt ihn als Modell in sein Haus – bis er das Weib im Jungen entdeckt und es sich für das Leben verpflichtet.
Ein heiterer, graziöser Pickfordstoff – scheint es. Aber Paul Czinner, der für das Manuskript als Verfasser zeichnet, hat diese moderne Historie der törichten Tochter – mit kaum fühlbaren Anklängen an Halms "Wildfeuer" und "Renaissance" – nicht etwa als eine dankbare Backfischstudie und eine noch dankbarere "Hosenrolle" für die Bergner aufgefasst. Er hat mit einem ungemein sicheren Filminstinkt die schlichte Handlung zu einer leuchtenden Legende vom törichten Kinde gestaltet.
Und wie unbeschwert, wie flüssig, wie ungekünstelt bieten sich die reizenden Begebenheiten. Wie entwickelt sich eine diskrete Glossierung aller Vorgänge aus den einzelnen Szenen, wie absichtslos spielen da Wind und Wiese, Hund und Mensch im Ringelreihen einer Mädchenseele vorüber.
Weil die grosse Schauspielerin eben die Elisabeth Bergner ist. "Nju" – das war ein erster Versuch. Diesmal bietet sich eine vollendete Leistung.
Sie beherrscht den Film, sie steht ununterbrochen im Mittelpunkt des Interesses, das an der inneren Melodik der Filmbegebenheit nicht eine Sekunde erlahmt. Obwohl rein äusserlich genommen oft bizarre Kühnheiten der Bildtechnik den Beschauer vor ungewohnte Aufgaben stellen.

Und man muss es mit hoher Befriedigung verkünden, dass das Ungewöhnliche, Besondere der Bergnerschen Darstellung selbst, revolutionierend gegen jede Konvention, mitreisst und begeistert. Das ist Filmkunst von morgen – nicht von vorgestern.
Ein Naturschauspiel – diese Frau. Mit ihrer selbstvergessenen Seligkeit, mit diesem Hinsinken im Gefühl des Augenblicks, dem sie nie ganz erliegt, sondern mit ihrer gesunden Kraft zu entrinnen vermag, dieses reizsame Mädelchen, das ohne Lieb erstickt, unter dem freien Himmel Italiens die güldenste Heiterkeit des Südens verkörpert.
Unvergesslich – die Atelierszene mit Rilla, der äusserst sympathisch sekundiert. Wie die Zeitlupe die Knabengrazie der Bergner auffängt. Wie sie die Geige am Kinn hält – wie sie durch den Raum gleitet. Das ist die Offenbarung schönster menschlicher Erregung.
Man müsste ein Buch füllen – wollte man die Eindrücke dieser schauspielerischen Leistung registrieren.
Czinner und seine Kameraleute haben Ausserordentliches geleistet. Man sah selten eine so vollendete Aussenaufnahme wie die Fahrt durch Florenz. Auffallend gute Bauten: Erich Czerwonski.
Das kleine Ensemble um die Bergner hat neben Rilla mit Veidt, N. Gregor, G. Moosheim Ausgeglichenes.
Der persönlichste, stärkste Eindruck des Jahres – das sei wiederholt – geht aber unstreitig von der Bergner aus.
Sie hat alles überspielt und hinweggespült, was wir von filmischen Darbietungen im Gedächtnis hatten.
Der Film – der im Gegensatz zum Skandal der Gloria-Premiere – eines äusserst geschmackvollen Lancements bedarf, wird überall das grösste Interesse finden.
Aber die Theaterbesitzer, die den Film spielen, müssen wissen, dass er kein Schaubudenprodukt ist, sondern ein Kunstwerk ist. Herr Waghalter, Generalmusikdirektor, hielt ihn für ein Schaubudenprodukt und lieferte Jahrmarktsmusik. Oder kann er nicht anders? (Gott helfe ihm!) » (–e–, Film-Kurier, Nr. 60, 11.3.1926)

«Der Geiger von Florenz

Paul Czinner hat in seinem ersten Bergner-Film, in "Nju" bewiesen, dass er den Wirkungen des Kammerspiels zustrebt. Aber er legte bereits damals die Probe ab, dass ihm keinerlei Phantasie eignet, die in "Eifersucht" ganz vertrocknet erschien und die auch diesmal nicht in jener Fülle erblüht, die einem Film zum wahren Leben verhelfen muss. Wie stets, hatte Czinner auch diesmal einen entzückenden Einfall. Er schildert ein junges Mädchen, das seinem Vater in schwärmerischer Verehrung zugetan ist, aber erleben muss, wie der Vater eine zweite Frau heiratet und sich deshalb von seiner Tochter entfremdet. Das junge Mädchen sieht sich verraten und entflieht dem Hause, wandert, eine zweite Mignon, in Knabenkleidern durch Italien und findet endlich den Mann, den sie liebt und der sie im Auto in das Leben, das sie führen möchte, führt. Man sagt sich: Goethe auf dem Sunset Boulevard – an jener Ecke, wo die Paramount-Ateliers stehen. Aber in Hollywood macht man das heute anders.
Der Regisseur Paul Czinner ist nicht allein einer unserer feinsten, sondern auch unserer geistreichsten Köpfe: ihm fehlt nur etwas gestaltende Phantasie. Er sucht diesen Mangel von Gestaltungskraft auszugleichen, den der Zuschauer erfordert. Seine Art, die Objekte in das Bild einzubeziehen und aus dem Gegenspiel seiner Darsteller das Schicksal erwachsen zu lassen, hat manchmal etwas Verblüffendes und deutet an, dass dieser Regisseur nach Überwindung des Ehrgeizes, das Manuskript selbst zu schreiben, eine einwandfreie Regieleistung hinlegen wird. Czinner ist auch heute noch eine grosse Hoffnung.
Für Berlin bedeutete Elisabeth Bergner eine Sensation. Diese Schauspielerin, die auf der Bühne vor allem durch ihre Stimme wirkt, hat sich, seit "Nju", dem Film und seinen Bedingungen hervorragend angepasst. Sie ist, was nicht einmal ihre fanatischsten Anhänger bezweifeln werden, keine Filmerscheinung. Es hilft gar nichts, man kommt um die Feststellung nicht herum, dass eine Filmschauspielerin in erster Linie sehr schön sein muss, was man von der Bergner nicht eben behaupten kann. Aber sie gestaltet kraft ihres Intellekts die Rolle, die ihrer Körperlichkeit entgegenkommt, und reift in kurzen Momenten einer filmischen Gestaltung entgegen, die eine grosse Filmzukunft dieser Schauspielerin verrät.
Es war nicht ohne Pikanterie, dem dämonischen Conrad Veidt in einer Väterrolle zu begegnen. Die Rolle lag ihm ersichtlich nicht, und er fand sich nur durch seine Routine mit ihr ab.» (Kinematograph, Nr. 995, 14.3.1926)

«Der Geiger von Florenz

Paul Czinner, der Autor und Regisseur dieses prächtigen Werkes, hat schon bei diesem seinem zweiten Film bewiesen, dass wir in Zukunft Grosses von ihm zu erwarten haben. Noch ist er rein filmisch ein wenig ungeschickt: er bringt Längen, unnötige Passagen, haut, besonders im Anfang, recht oft daneben – kurz, er steht noch immer mit einem Bein auf der Sprechbühne – aber in ihm steckt ganz das Zeug zu einem Grossen in der Regiekunst überhaupt. Wir hätten diesen Film sehen mögen, wenn ihn ein anderer gemacht hätte! Die Handlung selbst nämlich ist dünn und nicht einmal sehr originell. Aber wie daraus ein Werk geschaffen ist, das restlos auch den letzten Theaterbesucher entzückt, das zeigt uns die Qualität dieses Künstlers. Mit wenigen Worten ist die simple Geschichte erzählt. Sie beginnt im Stil von "Trotzkopf" oder ähnlichen Backfischromanen mit der Eifersucht einer halberwachsenen Tochter auf ihre junge Stiefmutter. Zwangsweise Verschickung in ein Schweizer Pensionat, abenteuerliche Flucht nach Italien, Verkleidung als vagabundierender Junge, Entdeckung durch einen Maler, gegenseitiges Verlieben, Versöhnung mit dem Elternhaus, Kuss und . . . Schluss! Also wirklich nicht viel. Und doch so unendlich viel, vor allem weil Elisabeth Bergner dieses junge Mädchen spielt! Die Bergner hat wahrhaftig kein "Filmgesicht". Wenigstens nicht auf den unbelebten Photos. Sobald aber dieses ihr Gesicht zu leben beginnt, bekommt es nicht nur Charme und Seele, sondern wahrhaftig edelste Schönheit. Sie ist heute vielleicht die genialste deutsche Filmdarstellerin überhaupt; und das, obwohl auch sie erst ihren zweiten Film geschaffen hat. Dieses ganze Werk steht und fällt mit ihrer Kunst. Sie reisst zu ehrlicher Begeisterung mit in einer Rolle, die ihr erlaubt, vom kindlichen Trotz und Übermut bis zu allen Regungen einer reifen, echt weiblichen Seele alle Register wahren Humors und tiefen Ernstes zu ziehen. Obwohl gleichzeitig auch ein Conrad Veidt ihr Partner ist, beherrscht sie, und sie allein, den Abend. Allerdings steht Veidt vor einer, seiner grossen Kunst nicht voll genügenden Aufgabe. Er ist, was man im Theaterjargon eine "Wurzen" zu nennen pflegt; er muss unschlüssig zwischen der Liebe zu seiner Tochter und zur zweiten Frau hin und her schwanken. Notgedrungen hat er deshalb passiv zu bleiben: und das ist schade. » (Dr. M–l (= Dr. Mendel), Lichtbild-Bühne, Nr. 59, 11.3.1926)

(Kritiken zitiert nach www.filmportal.de)


Hinweise auf Datenbanken
Filmportal.de C1A5EF612DD7407298CFA3E2230D334F
KinoTV Database Nr. 10371


Last Update of this record 16.01.2016
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